Sonntag, 20. Februar 2022
Die Zivilgesellschaft rührt sich
Offener Brief von Teilnehmenden der Kölner Spaziergänge
(Quelle
»Wir sind erstaunt und es macht uns zugleich betroffen, wie der Kölner Rat mit einer großen Anzahl seiner Bürger*innen umgeht.

Ungefähr 1/3 der Kölner*innen dürften derzeit keinen gültigen Geimpft-/ Genesenen-Status besitzen (nicht geimpft, vor längerem zweifach geimpft, mit Johnson und Johnson oder einem Genesenen-Status der ?abgelaufen" ist). Diese Menschen pauschal alle als unsolidarisch zu verunglimpfen, macht uns fassungslos. Schon jetzt sind nur knapp über die Hälfte der Menschen geboostert. Ist dann die andere Hälfte unsolidarisch?
Menschen, die seit Monaten fast vollständig aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind. Die sich meist täglich testen lassen und damit weit weniger zum Pandemiegeschehen beitragen und weniger ansteckend sind als 3‑fach Geimpfte, die ohne Abstand in den Kneipen, Restaurants, Vereinen etc. unterwegs sind?
Auch wir, Teilnehmende der übrigens angemeldeten Demonstrationen, stehen für bunte, vielfältige Gesellschaft, Übrigens auch für Solidarität und gegen die Ausgrenzung von Andersdenken, auch von Andersdenkenden in Bezug auf eine freie Impfentscheidung. Diese gibt es nämlich immer noch.
Laut offiziellen Berichten der Kölner Polizei handelt es sich bei den Spaziergeher*innen zu einem großen überwiegenden Teil um Menschen aus der bürgerlichen Mitte: Lehrerinnen, Pflegekräfte, Handwerker, Familienväter, Ärztinnen, Schülerinnen, Studierende, Sozialarbeiter usw. Eine immer weiter zunehmende Menschenmenge von mehreren tausenden Teilnehmenden, bundesweit sogar 300.000 bis 400.000.
Es mag auch Teilnehmende an den politischen Rändern geben, aber daraus einen Aufmarsch von Rechten zu konstruieren, ist sehr abenteuerlich. Distanzieren sich doch viele der Teilnehmenden ausdrücklich von Rechten und rechtem Gedankengut. Im Zweifelsfall wird solange gesucht, bis irgendwo eine AFD Fahne entdeckt wird. Dies beinhaltet die Gefahr einer Relativierung und Verharmlosung von echten Nazis oder Neonazis und deren Taten.
Woraus bezieht der Rat denn seine Angaben, dass es rechte Aufmärsche sind? Von der Kölner Polizei zumindest nicht. Eine haltlose Behauptung, mit der Sie einer zunehmend größer werdenden Menschenmenge ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit absprechen.
Mit der gleichen Begründung müssten Sie Woche für Woche gegen den Besuch von Fußballspielen aufrufen. Gibt es doch selbst beim FC, der für Multikulti und eine tolerante Fankultur steht, ?rechte? Gruppierungen. Werden deswegen alle FC Fans und Stadionbesucher*innen in Sippenhaft genommen? Nein, natürlich nicht.
Zahlreiche Fahnen gegen Rechts, Plakate gegen "Nazis", Regenbogenflaggen, ?Kein Veedel für Rassismus?, Fahnen unterschiedlichster Länder und eine allgegenwärtige Distanzierung von rechten Gruppen zeugen von einer aufrichtigen demokratischen Haltung der Montagsspaziergänger*innen. Es gab bedauerliche Einzelfälle, Aktionen, die tatsächlich einem rechten Lagerzuzuordnen sind, aber die Veranstalter tun und taten alles, sich gegen Rechts und Rechte zu stellen, sich zu distanzieren und in einem vom WDR breit getretenen Einzelfall wurde umgehend eine Strafanzeige gegen den Einzeltäter von den Veranstaltern der Demo gestellt.
Wir fordern daher Respekt und Augenmaß und darum, den Kritikern und Kritikerinnen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zuzugestehen. Wir erwarten Fairplay und dass Sie uns nicht pauschal als Schwurbler, Corona-Leugnerinnen oder Covidioten diffamieren. Wir sind alle Bürger*innen dieser Stadt, ob Geimpft oder ?Nicht Geimpft?. Wir sind keine Schwurblerinnen oder Corona-Leugner, sondern Menschen, die die politische Entwicklung, die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und den Umgang mit sogenannten Ungeimpften, kritisch hinterfragen.
Ist die Kritik zu vielen Punkten doch inzwischen mehr als nachvollziehbar:
Ein Genesenen-Status der eigentlich der Länge des Impfzertifikats (9?12 Monate) entsprechen sollte, wird über Nacht auf 3 Monate verkürzt.
Nicht-Geimpfte werden seit Monaten aus dem sozialen Leben ausgeschlossen. Bis auf Lebensmittel dürfen sie noch nicht mal einkaufen. Nicht ins Restaurant, keine Kneipe, nicht in den Tierpark. Private Treffen sind auch verboten, wenn mehr als 2 Haushalte zusammen kommen. Zumindest bei Omikron macht das keinen Sinn mehr, da inzwischen mehr Geimpfte infiziert sind, als Nicht-Geimpfte.
Eine Impfpflicht stellt uns jetzt schon vor massive Probleme in der Pflege. Es fehlen in Köln dann 15.000 Pflegekräfte.
Menschen, die wir für ihr Engagement in der Krise beklatscht haben, verlieren nun ihren Job, weil sie angeblich nicht "solidarisch" sind.
Laut dem Covid-Stringency Index der Oxford University ist Deutschland inzwischen das Land mit den härtesten Maßnahmen: Weltweit Nummer 1. Ein Land nach dem Anderen lässt die Maßnahmen fallen, nur Deutschland bleibt beharrlich.

Sie können diese Menschen, die vor allem aufgrund dieser Kritik auf die Straße gehen nicht alle stigmatisieren, diffamieren und in die rechte Ecke stellen.
WIR lassen uns nicht ausgrenzen und einschüchtern.
Wir setzen uns ein für:
FREIE Meinungsäußerung
FREIE Impfentscheidung
EINEN FAIREN DIALOG um die aktuelle Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden
VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT der politischen Entscheidungen

Des Weiteren fordert der Rat die Bürger*innen dazu auf, Maßnahmen wie unter anderem das Impfen, einzuhalten! Ein solcher Sprachduktus ist vollkommen unangemessen. Es gibt derzeit keine Impfpflicht, daher können Sie auch nicht die Einhaltung dieser "Maßnahme" einfordern.
Und noch ein Wort zu den Gegenprotesten: Allen Andersdenkenden ein pauschales ?Nazis raus!? und ?Wir impfen Euch alle!? entgegen zu schleudern sehen wir als demokratiefeindlich und geschichtsrelativierend an.
Wir sehen Solidarität als Gegenentwurf zum Begriff der Ausgrenzung ? eine Kölner Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Denk- und Lebensweisen, in der diese akzeptiert werden und NIEMAND aufgrund dessen ausgegrenzt wird. Dies beinhaltet eben auch explizit die freie Impfentscheidung jeder*s Einzelnen.
Wir hätten uns vor 2 Jahren selbst nicht vorstellen können, dass wir in Köln einmal Angst haben würden unsere Meinung frei zu äußern. Leider ist dem aber so. Wir haben uns daher bewusst entschieden, nur den Namen unserer Initiative anzugeben und auf weitere Namensnennungen zu verzichten.
Wir hoffen aber, dass wir uns täuschen und dass Sie sich diese Kritik zu Herzen nehmen.
Riskieren Sie nicht, dass sich ein erheblicher Teil der Zivilgesellschaft und bürgerlichen Mitte Kölns von der Politik enttäuscht abwendet.
Köln, 12.02.2022
"INITIATIVE FÜR EIN RESPEKTVOLLES MITEINANDER IN KÖLN«